II. Teil der Geschichte der Familie Hillenkamp

auf eine Familiengruppe beschränkt

von Heribert Hillenkamp Mai 1933

Mit der Zusammenstellung des ersten Abschnittes der Familiengeschichte hat mein Onkel, Rechnungsrat Rudolf Hillenkamp, Geseke, sein langjähriges Forschungswerk gekrönt.

Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er, jetzt ein fast 78 Jahre alter Herr, der übrigens der Senior meiner Linie ist und der letzte männliche Nachkomme, der noch in Geseke wohnt, selbstlos die Ruhezeit seines Alters für die Familienforschung verwandte und nunmehr den Ertrag seiner Forschung in Verbindung mit seinen Erinnerungen zu Papier brachte.

Einmal schon, in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts hat ein anderer Onkel, der 1907 verstorbene Kgl. Baurat Wilhelm Hillenkamp, Andernach, sich mit diesen Dingen befasst. Nach seinen Aufzeichnungen und einem verblichenen, kaum leserlichen alten Plane, der zum Zwecke des Nachweises der Verwandtschaft mit dem Stifter Orth ab Hagen geführt wurde, (im Besitz von Frau Baurat Fernande Hillenkamp oder Josef Hillenkamp Berlin) hat mein Vater Josef Hillenkamp, Oberhausen-Rhld., 1911 eine neue, nach Möglichkeit ergänzte Stammtafel angefertigt. Hierbei stand ihm mein älterer, im Kriege gefallener Bruder Wilhelm zur Seite, damals 17 Jahre alt, der sich sehr für die Arbeit interessierte und mit seiner klaren, schönen Schrift die Fußnoten dazu schrieb.

Wenn dieser Stammbaum auch, was die letzten Generationen anbetrifft, richtig war, so gab es doch, je weiter man zurückging, immer mehr ungenaue Angaben und Lücken, da die verstorbenen Ahnen, immer auf derselben Scholle lebend, weniger an Aufzeichnungen gedacht, sondern meist nur mündlich überliefert hatten.

Diese Tatsache der fast nur mündlichen Überlieferung ist freilich sehr zu bedauern, zumal schon mit meiner Generation die tatsächliche örtliche Verbindung mit der alten Väterstadt Geseke wahrscheinlich abgerissen sein wird. Urwüchsig und bildhafter wirken mündliche Überlieferungen, wenn der Übermittler mit der Scholle verwachsen, in der Art und am Orte seiner Väter lebt, wenn das Ohr vernimmt und das Auge sieht. Wohl sind mein Vater und seine Geschwister noch im alten Stammhaus geboren, doch haben sie mehr oder weniger früh (mit Ausnahme von Elisabeth, verh. mit Dr. Carl Jehn, gestorben 1917 und Cornelia und Agnes) Geseke verlassen.

Ihre Jugendzeit verbrachten sie alle im Stammhaus auf dem Hellweg, lauschten den Erzählungen und Überlieferungen der alten „Nolten-Mamsell“, geboren 1799, gestorben 1876, und meines Großvaters, geboren 1814, gestorben 1895, deren persönliche Erinnerungen immerhin von dem zweiten, dritten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts ab datierten. Diese letzten aus dem Hellweger Hause können in Verbindung mit ihrem Vater noch einen Zeitabschnitt von mehr als 100 Jahre überschauen.

Da die weitere Entwicklung der Familie in Geseke ein Ende nahm, kann man wohl sagen, dass mein Vater und mit ihm seine Geschwister am Ende einer abgeschlossenen Epoche in der Geschichte der Familie stehen.

Anders verhält es sich mit der folgenden Generation, der auch ich angehöre. Von dieser ganzen Generation ist keiner mehr, wenigstens soweit er den Namen Hillenkamp trägt, in Geseke geboren und groß geworden; in fremden Städten, über das Land verteilt — wenn auch meist Rheinland und Westfalen — sind sie unter anderer Umgebung, anderer Art aufgewachsen, vielfach schon in Mietshäusern der Städte geboren, hierbei nicht immer in glänzenden wirtschaftlichen Verhältnissen.

Diese Kinder hatten aber noch Gelegenheit, durch ihre Besuche in Geseke den Kontakt mit der Vergangenheit praktisch aufzunehmen, denn wie bereits gesagt, verblieben die beiden Tanten Cornelia und Agnes Hillenkamp in Geseke. Diese beiden jetzt 74 bzw. 64 Jahre alten Tanten leben gleich stark in der Vergangenheit wie in der Jetztzeit, sie sind wie ihre Vorfahren nicht aus Geseke herausgekommen, wenn sie auch ihre Wohnung, den Gutshof auf dem Hellweg mit einem Hause am Neutor (neuerdings Völmedestr. 1 umbenannt) wechselten.

Von diesen Tanten übernahmen die Neffen manches aus vergangenen Tagen, sodass es dieser Generation noch möglich war, sich ein kleines Bild der gewesenen, verflossenen Zeit zu machen.

Wie verhält es sich aber mit der folgenden Generation, die heranwächst oder noch entstehen wird? Deren Väter, immer anderwärts beheimatet, haben Geseke, wie bereits gesagt, nur vorübergehend besucht, haben leider – wie ich selbst – nur verschwommene, unklare Vorstellungen und sind naturgemäß durch Beruf und Pflicht mit den neuen Verhältnissen und Orten verwurzelt, können deshalb ihren Kindern schon wenig übermitteln.

Diesen Kindern werden ein paar Brocken und Zahlen aus der Geschichte der Familie nichts bieten: Keiner dieser Heranwachsenden würde in Geseke etwas Heimatliches finden, zumal voraussichtlich nach 20 Jahren niemand mehr des Namens Hillenkamp in Geseke wohnt. Sie wären dort fremd und könnten vielleicht erst nach Erkundigungen bei den Bewohnern das Stammhaus finden. Sie würden es als etwas Fremdes betrachten, vielleicht auch gerade noch wissen, dass der Großvater hier geboren ist und die Vorfahren hier vom dreißigjährigen Krieg ab gewohnt haben. Das wäre alles, und bitterwenig.

Niemand wird folgerichtig daran zweifeln, dass es so gekommen wäre, wenn nicht noch rechtzeitig ein Berufener eingegriffen und berichtet hätte.

Auch ich erkannte, und zwar aus persönlicher Erfahrung, welch kostbaren Werte damit für die späteren Generationen verloren gehen, die ihrer geistigen Erstarkung, ihrer Erziehung und Charakterbildung dienen können, die ihnen im Rückblick auf die Vorderen Rückhalt und Selbstbewusstsein geben können, zumal den wirtschaftlich Schwachen, zu denen auch ich und meine Geschwister gehören.

Diesem Mangel hat mein Onkel Rudolf abgeholfen, dadurch, dass er, nachdem er sich Ende der Kriegszeit wieder in Geseke niederließ, in langer, mühevoller Arbeit die genaue Folge der Familie von Jobst ab feststellte und viele; für die Familienangehörigen interessante Tatsachen erforschte.

Im Hinblick auf die Zukunft der Familie hat er sich trotz seines hohen Alters von fast 78 Jahren daran gemacht und eine Familiengeschichte zusammengestellt, die es jedem Hillenkamp ermöglicht, seine verwandtschaftlichen Beziehungen festzustellen, und einen Einblick in das Leben und Streben der Vorfahren gewährt: Sollten die Jungen durch die Gassen der Stadt gehen, kann die Vergangenheit bei ihnen aufleben; sie können sich daran erbauen, sie brauchen Geseke nicht mit fremden Augen zu beschauen, auch wenn längst keiner des Namens mehr in Geseke wohnt.


Jeder Nachkömmling kann die Geschichte fortsetzen, indem er über seine Eltern und, sollte er seine Grosseltern noch kennen — was meist bei den Hillenkamp’s nicht der Fall war — auch über diese berichtet. Weil ich es für zweckmäßiger halte, gehe ich darüber hinaus, und berichte im Folgenden von den noch lebenden Generationen, soweit mir die Zugehörigen bekannt sind, von den Jungen und Alten und auch von mir selbst. Es liegt mir daran, ein kleines Bild von den Zeitläufen zu geben, dergestalt, dass sich jeder auch nach 50 Jahren darin zurechtfinden kann.


1895 bis 1933

Es gibt Fremde, die Oberhausen besuchen und heute – 1933 – ihr Urteil über diesen Ort abgeben, indem sie sagen: „Das ist weder eine Stadt noch ein Dorf!“

Ein rechter Oberhausener wird sich sofort innerlich in Kampfbereitschaft setzten und die Schönheiten der Grosstadt hervorheben, besonders das prächtige, feudale, schlossartige Rathaus.

Er tut das nun freilich mit einem kleinen Unbehagen, denn er weiß, dass die armen Oberhausener Bürger kaum die Zinsen für die große amerikanische Dollaranleihe, aus deren Mitteln das Rathaus gebaut wurde, aufbringen können, geschweige erst die Schulden abtragen können, denn der Bau hat, wenn er auch noch so günstig gebaut wurde, doch Millionen gekostet. Dafür hat Oberhausen jetzt ein herrliches Rathaus, auch Strassen, die durchweg, wenn man sich nicht zu weit aus dem Kern der Stadt verirrt, in Ordnung und staubfrei gemacht worden sind.

Dazu ist in den letzten Jahren, etwa 1930 bis 33, ein prächtiger grosstädtischer Bahnhofsvorplatz entstanden und dem Verkehr übergeben worden. Das heißt, der Bahnhofsvorplatz wurde dem Verkehr übergeben. Das neue, große Bahnhofsgebäude steht bedauerlicherweise wie eine neue Ruine, einsam für sich, vor dem alten Bahnhof, weil das Geld fehlt, das längst erwogene und zweifelsohne erforderliche Projekt, Erstehung eines neuen Bahnhofs mit allem Drum und Dran, weiterzuführen.

Doch ganz Unrecht haben die Fremden nicht. Wendet man seine Schritte nur ein wenig von diesen Gebäuden der Neuzeit ab, so erblickt das Auge die weniger schönen Hinterfronten der alten Häuser der Industriestrasse und sieht bei einem Spaziergang durch die Strassen der Stadt, wo sich manche schönen Grünflächen mit Blumen und Sträuchern bepflanzt finden, doch immer wieder in fast jeder Strasse größere und kleinere Lücken in der Bebauung der Straßenfronten.
Oberhausen ist eine Stadt, die ähnlich den amerikanischen Städten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus der Heide erwuchs, rapide schnell, nachdem man überall im Schosse der Erde Kohle gefunden hatte.

Die genialen Baumeister der damaligen Zeit sahen weit über ihre Zeit hinaus, so weit sogar, dass sie zu weit schauten. In ihrer Brust muss der feste Glaube gehegt worden sein, dass eine Riesenstadt entstehen würde; deshalb gingen sie bei der Parzellierung der Strassen sparsam mit dem Boden um, legten manche Strassen so nahe aneinander, dass zwischen den Rückfronten der Häuser einzelner Strassen nicht viel mehr Raum als ein großer Luftschacht übrig geblieben wäre, wenn, ja wenn man die zweite, rückliegende Straßenseite überhaupt bebaut hätte.

In solchem Sturmschritt entwickelte sich die Stadt nun doch nicht; es ging ja wohl schnell, aber manche Strassen waren doch nur durch einige Häuser angedeutet.

Der Krieg behinderte die Bautätigkeit. Wenn auch noch in der Nachkriegszeit große Teile außerhalb und ganze Straßenzüge innerhalb der Stadt bebaut wurden; alle Lücken ließen sich doch nicht ausfüllen, denn der Höhepunkt der Entwicklung der Industrie scheint erreicht zu sein, wenigstens insofern, dass die Maschinen durch die fortschreitende Technik weniger Arbeitskräfte benötigen.

Doch ist nicht zu verkennen, dass das Bild der Stadt durch Bauten und Grünanlagen gewonnen hat, dass die Strassen, in denen noch vor wenigen Jahren der Wind den losen Staub in undurchdringlichen Wolken jagte, so gut geworden sind, dass solche Begebenheiten fast der Vergangenheit angehören.


Wie sich aus den Andeutungen der Entstehung und der Jetztzeit vermuten lässt, war das Bild der aufsteigenden Stadt in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts weniger schön als jetzt. Dafür gab es damals noch landschaftliche Reize, die mittlerweile fast gänzlich verschwunden sind.

Ging man über die Landstrasse, die von Mülheim kommend durch Oberhausen führt, um in Richtung Sterkrade-Dinslaken weiter zu verlaufen, so kam man hinter dem Wasserturm der Gutehoffnungshütte bereits an Waldungen. Nach Durchschreiten einer schmalen Bahnüberführung, die in Form eines Tunnels gebaut war, dehnte sich zur Linken Wald aus, der in späteren Jahren zu einem Volkspark umgewandelt wurde und den Namen „Kaisergarten“ erhielt.

Etwas weiter des Wegs überschritt man auf einer Brücke die damals fischreiche Emscher, sah links der Strasse, anmutig umgeben von stämmigem Hochwald, das Schloss Oberhausen liegen, welches dem Grafen Westerholt gehörte, und von dem die Stadt ihren Namen herleitete.

Dem Schloss gegenüber auf der andern Straßenseite war ein Weiher mit kleinem Schlosspark. Das ganze Bild hatte noch etwas urwüchsig Frisches; dicht wucherte das Unterholz und Strauchwerk in dem Walde hinter dem Schlosse, dem Grafenbusch. Es bot nicht nur Hasen und Fasanen Unterschlupf, sondern auch lichtscheuem Gesindel. Der Grafenbusch war deshalb verrufen.

Einige hundert Meter weiter blieb der Wald zurück, gab Wiesen und Äckern Raum. Hier stand zur rechten Seite der Landstrasse ein einfaches Haus, nicht gerade allein, wie man wohl vermuten könnte; ein wenig weiter zur Linken der Strasse lag ein alter Bauernhof mit weiß gekalkten Fachwerkswänden, Scheunen und Stallungen, Teppers Gasthof und Brennerei.

Zwei Kastanien und ein Lindenbaum beschatteten im Sommer die Front des erstgenannten Hauses, breiteten ihre Zweige bis zu den Fenstern des ersten Stockwerkes und über das Dach hinaus aus. Von der Strasse führten ein paar Steinstufen zu der inmitten der Vorderfront des Hauses eingelassenen Tür. Zu beiden Seiten des Hauses, der Strasse entlang, zog sich ein größerer, mit einer grünen Hecke eingefriedigter Garten hin. Ein Tor ermöglichte, das Haus zu umgehen und von der Hinterfront zu betreten. Hinter dem Hause, für sich gebaut, befand sich ein Stallgebäude, aus dem um diese Zeit — es war im Herbst 1895 — wohlgefälliges, zufriedenes Quietschen einiger Schweine ertönte.

In dem oberen Stockwerk wohnte eine junge Familie, Mann, Frau und ein Kind, ein Junge von 1 1/2 Jahren. Der Mann hatte annähernd die Mitte der dreißiger Jahre erreicht, war mittelgroß von Gestalt, mit einem Kopf voll blonder Locken und lustigen Einfällen und Reden. Nach der Mode der Zeit hatte er einen Schnurrbart, der nicht gerade übermäßig stark war und die Neigung hatte, an den Spitzen herabzuhängen.

Der Mann hatte blaue Augen, im Gegensatz zu seiner hübschen Frau, die bei einem gesunden, etwas ovalen Gesicht, dunkle Augen und volles dunkelblondes, fast schwarzes Haar hatte. Die Mutter des Knaben, dem gold-blonde Locken in großen Ringeln um den Kopf hingen, war etwas über die Mitte der Zwanzig alt.

Ihr lag die Hausfrauenpflicht ob, für die beiden Lockenköpfe zu sorgen und zudem noch für ein weiteres Wesen, das demnächst das Licht der Welt erblicken sollte. Es wohnte sich dort an der Sterkrader Chausse gesund und gut; doch war es der jungen Frau an stillen Abenden oft unheimlich, wenn ihr Gatte noch unterwegs war und tiefe Stille und pechschwarze Finsternis über der Strasse und den anliegenden Waldungen lagen.

Die Gegend war etwas unsicher. Tausende rechtschaffene Arbeiter hatten, von der Industrie herangezogen, Arbeit und Brot gefunden. Doch zugleich gesellte sich zu dem Strom der guten Elemente böses Gesindel. Begünstigt von der Dunkelheit und Einsamkeit des Weges zwischen Oberhausen und Sterkrade waren Überfälle von Wegelagerern in jenen Tagen nicht selten und einige Male hatte der junge Ehemann Bekanntschaft mit diesen Gesellen machen müssen.

Ein Glück war es nun für die junge Frau, dass sie nicht allein in diesem Hause zu wohnen brauchte; es war für sie beruhigend, dass unter ihr in der Parterre die Besitzer des Hauses, ältere Leutchen mit ihrer Tochter wohnten, die Steuber.
Der junge Ehemann hieß Josef Hillenkamp und kam aus Geseke, wo er am 13. August 1861 geboren war. Er war der jüngste Sohn von Rudolf Hillenkamp, der, 1814 geboren, das Haus seiner Väter auf dem Hellwege übernahm. Der kleine Josef oder Goethe, wie man ihn nannte, war ein hübscher Junge gewesen und wegen seines lustigen Wesens allerseits beliebt.

Er verbrachte umsorgt und verwöhnt, seine Kinderjahre im Hause auf dem Hellweg, wo er hinreichend Bewegungsfreiheit in den Scheunen und Ställen und Unterhaltung bei, Knechten, Mägden und dem Vieh fand.

Einer seiner gleichaltrigen Spielgefährten war der auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnende Franz Budde, „Buddenit“ genannt, der schon als Kind so sparsam war, dass er die Strohhalme von der Strasse aufsuchte und zum Miste seines Vaters brachte.

Josef sollte ursprünglich studieren. Er besuchte die Rektoratsschule und wurde dann zur strammen Erziehung zu den Jesuiten nach Feldkirch in Tirol (Österreich) gesandt. In dieser vornehmen Erziehungsanstalt, in der auch manche Fürsten und Grafenkinder aus allen Ländern zur streng (katholischen Erziehung gesandt wurden, waren gleichzeitig unter anderem mit ihm: Philipp Bartmann aus Oberhausen, der verstorbene Dr. Overhamm aus Dinslaken, Julius Blum, Münster, Gebrüder Josef und Miximilian von Wolfegg, Gebrüder Freiherrn von Fürstenberg, Fredericus Obyrn aus Brasilien, Es ging dort streng, in beschnittener äußerer Freiheit zu. Die ganze Erziehung, Unterkunft und Verpflegung hatte einen klösterlich harten Einschlag und wurde ohne Ansehen der Person durchgeführt.

Da zu dieser Zeit (1877/78 die Türken mit den Russen im Kriege lagen, meldete sich bei Josef der stärkere Wunsch, zu erleben. In Begleitung des Kameraden Julius Blum ging er aus dem Kloster stiften. Die beiden reisten Richtung Italien, um von dort zu versuchen, sich den Türken anzuschließen. Josef, damals ein kräftiger Kerl von 16 Jahren, und sein Freund Julius wurden von einem Pater, der den Flüchtigen sofort nachreiste, in Bozen eingeholt und wieder zurück ins Kloster gebracht. Vielleicht war das der Anlass, den Jungen wieder nach Deutschland kommen zu lassen. Er besuchte das Gymnasium in Paderborn und wurde danach Kaufmannslehrling in Ahlen i/W. Nach Beendigung seiner Lehr- und Militärzeit, er diente beim 7. Jäger Bataillon in Bückeburg,

war er in Wesel auf dem Büro seines Schwagers, Kgl. Baurat Wilhelm Hillenkamp, der, einem andern Zweig der Familie angehörend, seine Schwester Fernande in zweiter Ehe geheiratet hatte.
Kräftig und gesund, tummelte Josef sich in seiner Freizeit viel auf dem Rhein herum, durchschwamm den Fluss und war mit dem Element so gut vertraut, dass er, als einmal der Kahn umschlug, das Boot aufrichtete und dann, in seinen Kleidern steckend, den Riemen und seinem Strohhut nachschwamm, um auch diese Dinge zu bergen.

Nach einiger Zeit, 1888, erhielt er Stellung bei der Gutehoffnungshütte, Oberhausen-Rhld., auf der Markscheiderei. Mit einigen andern musste er in der Grube Messungen vornehmen, über Tage die Messungen auswerten und zu Papier bringen.
In Mülheim lernte Josef Hillakamp seine spätere Frau, Paula Bollens, geboren zu Duisburg am 3. März 1868, kennen. Sie war die Tochter des schon früh verstorbenen Hafenkassenassistenten Heinrich Wilhelm Bollens, der am 4. Januar 1820 zu Höxter geboren war, und dessen Ehefrau Franzisca geborene du Moulin (geboren 9.3.1829 gestorben ???) welche aus Düsseldorf stammte.

Nach der Verheiratung am 10. Juni 1893 war das junge Paar in das Haus am Grafenbusch gezogen, erwartete nunmehr das zweite Kind.
Dieses wurde am 15. Oktober 1895 morgens geboren,
Es war ein Junge.
Die Mutter hatte sich für diesen Jungen den Namen Herbert gewünscht. Der kleine Knirps mit großen, schwarzen Augen, obwohl der guten Obhut seiner Mutter anvertraut, musste schon nach einigen Lebenstagen mancherlei über sich ergehen lassen. Herbert sollte er heißen!

Doch der Geistliche der Osterfelder alten Kirche nannte ihn Heribert, nach dem Heiligen Heribert, der Erzbischof von Köln gewesen war.

Auf dem Standesamt in Oberhausen ging es zwar anders, aber im Endresultat nicht besser zu. Der Standesbeamte machte in der geschilderten guten alten Zeit vielfach zugleich den Trauzeugen. Diese Gefälligkeit war meist in der damals trinkfreudigen Gegend mit dem Heben einiger Krüge oder Gläser verbunden, die nun ihre Wirkung soweit ausgeübt hatten, dass der Beamte, von einer solchen Sitzung kommend, den ihm fremden Namen Heribert als Herdibert einzeichnete. Da der Kleine zudem noch amtlich Anton, Hermann Wilhelm benannt wurde, so kann man wirklich nicht behaupten, dass man ihn, wenigstens hinsichtlich der Namen, nicht hinreichend bedacht hätte.

Die damalige Zeit war in ihren Ansprüchen besonders auch in der Kleidung bescheiden. Es gab für den Mann einen derben Alltagsanzug, Wollsocken und feste Schuhe, dieselbe Aufmachung verfeinert für den Sonntag. Auch rauchten die Leute längst nicht so viel, wie in späterer Zeit nach dem Kriege. Dafür jedoch wurde, besonders hier im Industriebezirk, viel getrunken. Während heute das Biertrinken bei der Arbeit verpönt ist: „Milch gibt Kraft! Wasser hält gesund!“ war damals sogar im alten Walzwerk an der Essenerstrasse im Werk selbst ein Bierkeller errichtet, in welchem der alte „Betzel“, ein Ostpreusse, der ein Bein verloren hatte, Halbe und Ganze verzapfte, die vom Werk aus billig, mit 7 Pfennig den Halben, verausgabt wurden.

In dem Keller um die Fässer saßen nach getaner Arbeit die Beamten des Werkes und tranken, wie die alten Deutschen immer noch eins… Der Bierkeller hat bis zum Jahre 1911 bestanden.


12 Jahre später! Bei der Familie, die ihre Wohnung verschiedentlich wechselte, ist neuer Zuwachs angekommen. Es hat sich mittlerweile ein Kind nach dem andern dazugesellt. Nach den beiden ältesten, Wilhelm und Herbert, kam nach einem Abstand von 5 1/2 Jahren Hermann (4.3.1901) und dann in kurzer Folge, als sollte diese größere Zeitspanne aufgeholt werden, Maria (18.3.1903), Paula (21.4.1905) und am 14.Juli 1907 Max.

Die Vermehrung des Einkommens hatte mit dem reichen Kindersegen nicht Schritt halten können; es war für die Eltern eine Notwendigkeit, sich nach der Decke zu strecken, und dieselbe Decke, die ehemals für zwei, dann vier reichen musste, musste nunmehr auch für acht ausreichen.

Wenn auch dieses wirtschaftliche Verhältnis absolut nichts Außergewöhnliches war, denn die Familien waren zu jener Zeit meist reich mit Kindern gesegnet, so bedarf es jedoch anderseits keiner Frage, dass bei einem geringen Einkommen die Mittel nur für die elementarsten Bedürfnisse reichen konnten.

Die Mutter, ohne fremde Hilfe, hatte tagein, tagaus von früh bis spät zu arbeiten; schneiderte außerdem in den späten Nachtstunden für die Jungen die Anzüge noch selbst. Wilhelm, der älteste, war ein aufgeweckter, sehr begabter Junge und einer der besten Schüler. Er kam zum Gymnasium nach Duisburg. In seinem Äußern war er akkurat, hatte ein freies, sicheres Benehmen, lernte gut und hatte vielseitige Interessen. Er sammelte Briefmarken, hatte ein Herbarium, eine Käfer-, Schmetterling- und Stein-Sammlung, schnitzte aus Holz mancherlei Dinge, die er bemalte, besonders gern exotische Waffen, zeichnete gut, sowohl kleine Bildchen als auch Landkarten, die er kolorierte, derart naturgetreu, dass sie den Tafeln des Atlasses glichen, zumal er auch in Rund- und Druckschrift schreiben konnte, sodass seine Lehrer zweifelten, dass er sie hergestellt habe.

In Geschichte, und Geographie war er besonders gut beschlagen; er schlug hierin ganz dem Vater nach (und wie ich später hörte auch dem Großvater); außerdem las er viel. Seine Phantasie, unterstützt von einem guten Gedächtnis, ermöglichte ihm, Gehörtes und Gelesenes so anschaulich wiederzugeben, dass es frappierte, wenn er nachher irrtümliche Auffassungen berichtigte. Dies erkennend, benützte er späterhin gern die Gabe, um zu fabeln. Herbert hatte für all diese Dinge kaum Interesse. Er trollte am liebsten umher; obgleich die Mutter ihn immer sauber anzog, am Abend war er dennoch gleich schmutzig. Auch

(Hier fehlen Seiten!!!)

… aufgeregt und zu beschäftigt war.

Die Bahnhofswirtin — so erzählte sie später den Tanten — hatte durch das Fenster auf dem Bahnhof den winzigen Mann erspäht. Sie lief hinaus, allarmierend rufend: „Ein Zwerg, ein ganz kleiner, ist eben angekommen!“

Vom Bahnhof folgte in respektvoller Entfernung eine Kinderschar dem Zwerge. Auch die Erwachsenen amüsierten sich. Es gab in der Tat ein Aufsehen in dem stillen Orte. Von ihrem Fenster, das einen Blick über die Promenade, den alten Stadtwall, gestattete, hatten die Tanten seine Ankunft erspäht. Nun standen sie auf der Treppe des Hauses und kamen ebenfalls aus dem Lachen nicht heraus. Herbert schaute ganz verdutzt drein und ahnte nicht im entferntesten, dass er der Grund zu solcher Heiterkeit war. Wohl sah er, als er nach der Ursache forschte und sich umdrehte, einen Schwung lachender Kindergesichter, die ihm bis hierher gefolgt waren.

Die beiden Tanten wohnten, vom Wall durch einen Obsthagen getrennt, in einem von Bäumen und Büschen umgebenen zweistöckigen Hause, nur wenige Meter außerhalb der früheren Stadtmauern. Am Neutor, so hieß der Eingang durch den Wall zum Stadtinnern, hatte das Haus seinen Eingang.

Ein paar Mauerpfeiler mit dazwischen angebrachtem Eisengitter schlossen den Vorgarten des Hauses von der Strasse ab. Durch das Gartentor trat man in den mit Blumen und Ziersträuchern geschmückten Vorgarten, blickte auf die gelben, kachelartigen Ziegelsteine der glatten Hausfront, die teilweise, bis zum Dach hinauf an den Fenstern vorbei mit üppig wuchernden Weinranken bedeckt war. Vom Gartentor führte ein kurzer, türbreiter Weg zum Hause. Links des kurzen Zugangsweges sah man grünende Büsche und Blumen. Dahinter in der Ecke, der Strasse zu, befand sich eine Laube, umgeben von Gebüsch und einigen Bäumen. Auch rechts des Weges erblickte das Auge Blumen und blühende Sträucher und dahinter, hohe, das Haus überragende Tannenbäume, die einen Platz, rechts des Hauses ausfüllten, indessen Umzäunung die Hühner herumliefen und nach Futter scharrten.

Da die Keller des Hauses hoch gebaut waren, musste man, um die Parterre zu erreichen, mehrere Stufen einer Steintreppe ersteigen. Die Stufen waren etwas vorgezogen und beiderseitig durch eine niedrige Mauer abgeschlossen, sodass eine kleine Plattform vor der Haustüre entstanden war. Da sich hier Raum für einige Stühle bot und die erhöhte Bauform übersieht über den blühenden Vorgarten und die Strasse gewährte, liebten es die Tanten, in den lauen Abenden des Sommers hier zu verweilen.

Ein Pfad führte zur Laube, die zum Teil ausgefüllt war durch eine ovale Steinplatte, welche auf einem Astgestell ruhte und als Tisch diente. Dann lief der Pfad links am Hause vorbei zum großen, hinter dem Hause liegenden Obst- und Gemüsegarten. Haselnusssträucher und Gebüsch aller Art verdeckten hier einen sich dem Wall entlang ziehenden Wassergraben. Die Haselnussstauden breiteten ihre Zweige weit aus bis zu der Seitenfront, des Hauses, sodass der Weg fast ganz bedeckt war. An dieser Seite ermöglichte eine Tür, direkt in den Keller zu treten. Das darüber liegende Fenster gehörte zu dem Arbeitszimmer der Tanten, einem kleinen Zimmerchen, von wo sich aus, obwohl durch das Gebüsch etwas verdeckt, der Wall übersehen ließ.

Nach Ersteigen der wenigen Stufen sah man sich der schweren eichenen Haustür gegenüber, deren beide Flügel außer Holzverzierungen je ein gardinenbehangenes, vergittertes Fensterchen auswiesen. Gleich der Türklinke war auch der Knopf der links seitlich angebrachten Zugstange für die Hausglocke aus blankem Messing.

Hinter der Haustür breitete sich ein großer Flur aus, in welchem außer der Kleiderablage auch einige Schränke aufgestellt waren. Geweihe, die Jagdtrophäen des Großvaters, etliche Bilder, eine Vogelflinte, ein Gong, sowie ein uraltes Heiligenhäuschen mit der geschnitzten Mutter-Gottes, hingen an den Wänden. Ein Spiegelschrank zur Linken der Tür und besonders ein riesiger Blumentopf, der auf einem Eisengestell an der rechten Wandseite stand, aus dem wie ein Wasserfall ein- wucherndes Grün fast bis zum Boden herab hing, zogen die Aufmerksamkeit des Beschauers auf sich.

Rechts führte vom Flur aus eine Tür in den Salon – das Ahnenzimmer nannte Herbert es später, weil an den Wänden einige Gemälde unbekannter Männer in den Trachten vergangener Zeiten hingen. Die Einrichtung des Zimmers bestand aus gelbbraunen Mahagonimöbeln, die, obwohl sie ein hohes Alter hatten und sogar etwas wurmstichig waren, sehr vornehm aussahen. Ein breit ausladendes, an der Rückseite geschweiftes Sofa und einige Stühle mit golddurchwirktem, gobelinartigem Stoff überzogen, gruppierten sich auf einen Teppich um einen ovalen Tisch. Ein festes Gestell, das wohl ehemals denselben Zwecken diente wie eine spanische Wand, mit Gobelin bezogen, das wieder alte Stickereien aufwies, eine Vitrine mit viel Nippsachen und ein Spiegelschrank vervollkommnte die Zimmereinrichtung, die in ihrer Zusammenstellung einen nachhaltenden Eindruck hinterließ.

Von der Haustür sich links wendend, betrat man das Wohnzimmer. Es war gemütlich, persönlicher eingerichtet. Viele Einzelbilder, kleine Nippsachen auf Etageren gestellt, hingen an den Wänden. Auf den Fensterbänken standen eine Reihe Blumentöpfe. Außer einem Sofa, Tisch und Stühlen, Schrank und Spiegel, stand seitlich der Tür auch ein aus gelben Kacheln gebauter Ofen.

Durch eine Portiere trat man von diesem Raum in das kleine Arbeitszimmer, von dem, wie bereits erwähnt wurde, der Blick auf den Wall fiel, wenn die Tanten Handarbeiten machend, an einem kleinen Nähtischchen, zu beiden Seiten desselben saßen und ihre Augen von der Arbeit aufblickten. Hier hat auch der Großvater oft gesessen, der seinen Lebensabend in dem Hause verbrachte und 1895, ein halbes Jahr vor der Geburt Herberts, gestorben war. Der Raum konnte im Winter durch ein kleines Eisenöfchen geheizt werden und war in seiner Aufmachung ähnlich dem nebenliegenden Zimmer. Die Breite des Zimmers, dem Fenster entgegengesetzt, füllte ein Sofa aus. Davor stand an der Wand gelehnt ein kleines Tischchen mit der Leselampe. An den Wänden und auf einem Schränkchen hingen und standen mancherlei kleine Bildchen, Photographien und Erinnerungen von vergangenen Zeiten. Über dem Sofa hingen auch die Bilder der Grosseltern.

Die Küche und das Schlafzimmer des Erdgeschosses lagen hinten heraus, dem Garten zu; bei der Küche auch noch ein kleines Esszimmerchen. Für sich in Verbindung mit dem Hause, schloss sich ein Vorraum an, mit kleinem Stallgebäude, Tenne, Kammer und Heuboden.

Von den beiden Tanten war Agnes, die jüngere, ein weicher, anlehnungsbedürftiger Mensch, der die Herzensgüte aus den Augen schaute. Sie konnte nicht böse sein und hatte Verständnis für die Schwächen des kleinen Herberts. Sie umwob ihn in feiner Art mit ihrer Sorge und ihrem Wohlwollen. Deshalb fühlte sich Herbert sehr zu dieser Tante hingezogen.

Die Tante Cornelia, die ältere, verfügte ersetzte bezüglich der Energie und Entschlusskraft den Hausherren. Der Ausdruck ihres Gesichts, der manchmal streng zu nennen war, zeigte Geist und Energie. Sie war eine von den wenigen Frauen, die wusste, was sie wollte, und konsequent verstandesgemäß zu beurteilen verstand. Sie hatte viel gelesen, verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und die Gabe, anschaulich, bis in die Schilderungen der Personen und ihrer Kleidungen, die Verhältnisse und Zustände aus früherer Zeit zu erzählen. Auch in allgemeinen Dingen des Lebens hatte sie eine scharfe sachgemäße Beurteilungsgabe.

Hinter dem oft strengen Äußern und ihrer scharfen Kritik steckte jedoch ein ganzer, es gut meinender Mensch. Ihre konsequente, bestimmte Art diente dem Zwecke, das einmal richtig erkannte zum Ausdruck zu bringen, weil es für den andern von Vorteil sein würde.

Damals hatte der Kleine zuerst etwas Scheu vor dieser Tante. Doch erkannte er mit dem feinen Gefühl der Kinder sehr bald die gute Innenseite, die sich ihm gegenüber freilich zuerst bemerkbar machte in einer gewissen Strenge aber Gerechtigkeit, sodass bei ihm niemals, selbst bei seinen ersten Besuchen, der Eindruck aufkommen konnte, ihm geschähe Unrecht.

Herbert war gefällig und aufmerksam, soweit er erkannte, was zu tun war und was richtig war. An Lehren fehlte es nicht. Ihm wurden die Augen geöffnet. Er lernte sehen, dass noch ein Stuhl am Tische fehlte, die Türe zu schließen war usw.
Ja, es kam ihm später zum Bewusstsein, dass er gerade
hier zuerst einmal ein wenig Schliff beigebracht bekam und ihm hier wertvolle Anleitungen gegeben wurden.

Die Tanten waren stolz. Sie waren es von Jugend auf gewöhnt, dass man ihnen Achtung entgegenbrachte. Dieser Stolz, stärker bei Cornelia ausgeprägt, zeigte sich jedoch nie in Geringschätzung anderer Leute, sondern in der persönlichen Gestaltung und bestimmtem, sicherem Auftreten. Sie war es, die den Jungen darauf hinwies, dass ihm als ein Hillenkamp Pflichten ob lägen, in seiner Art, seinem Benehmen und Streben; er hätte sich würdig zu zeigen. Sein Großvater sei ein kluger, feiner Mann gewesen, dem man stets die größte Achtung entgegengebracht hätte. Wenn er, als alter Herr, stolz aufgerichtet des Sonntags zur Kirche gegangen wäre, so hätten die Leute ehrerbietig die Hüte gezogen und Platz gemacht. Er solle dafür sorgen, dass man ihn nicht von der Seite ansehe, solle streben und arbeiten, damit auch er ein tüchtiger Mann würde.

Hier hatte der Junge doch manchen Zweifel, die er hier, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, nicht versteckt für sich behielt; sondern seine Meinungen äußerte. Hier bekam er aber keine Äußerungen seiner Minderwertigkeit zu hören, sondern das Gegenteil: „Ach was, das ist Unsinn. Du bist ein Junge wie andere auch, Du bist kein dummer Junge. Wo ich so klein war, wusste ich auch noch nicht so viel wie heute und musste auch tüchtig lernen“.

Auf Herbert machte die bestimmt selbstverständliche Art einen großen Eindruck. Er fühlte sich hier auf einen bestimmten Posten gestellt, ihm wurden Richtlinien gegeben und die kluge Tante behandelte ihn, den kleinen Mann, wie einen großen. Sie erwartete von ihm das Verständnis für ihre Erläuterungen — setzte es entweder einfach woraus, oder, was wahrscheinlicher ist, sie erkannte klug die richtige Grenze des Auffassungsvermögens — denn sonst hätten ihre Erziehungsmaßnahmen, wären sie nicht verstanden worden; nicht zum Nachdenken und Befolgen angeregt.

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Verfasst von Heribert Hillenkamp 1933